<72>

Um auf einer anderen Seite die Oberhand wiederzugewinnen, eroberte Ludwig XI V. die Franch-Comté (1674). Turenne fiel in die Pfalz ein. Seine Truppen begingen dort unerhörte Frevel. Der Kurfürst1, der von seinem Schloß aus mehrere Dörfer hatte brennen sehen, erhob Klage beim Reichstag. Der Kaiser, der ruhig zugesehen hatte, als Holland unterjocht wurde, raffte sich aus seiner Lethargie auf, um dem Reiche zu helfen, und brach mit dem König von Frankreich. Das war vielleicht der einzige Krieg, den das Haus Österreich zur Sicherung und Verteidigung von Deutschland unternommen hat.

Kaiser Leopold verband sich mit Spanien und Holland. Friedrich Wilhelm verpflichtete sich, dem Reiche 16 000 Mann Hilfstruppen zu stellen2. Die Holländer und Spanier versprachen ihm, zum Unterhalt seiner Truppen beizusteuern. Da Ludwig XIV. das Reich angriff, so stand der Entschluß des Kurfürsten, dem Reiche aus diesem Anlaß beizustehen, keineswegs im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die er im Frieden von Vossem mit Frankreich eingegangen war.

Der Anfang des Feldzuges verlief für die Verbündeten unglücklich. Der Prinz von Oranien wurde bei Senef vom Prinzen Condé geschlagen3. Turenne, der bei Philippsburg den Rhein überschritten hatte, trug einen Sieg über den alten Caprara davon, kämpfte bei Sinzheim gegen Herzog Karl IV. von Lothringen4, marschierte von da auf Enzheim und besiegte Bournonville5, der dort ein großes Korps Kaiserlicher befehligte.

Der Kurfürst ging bei Strasburg über den Rhein und stieß zu Bournonville, wenige Tage nach dessen Niederlage. Er fand die Generale, die dies Heer führten, in Unfrieden miteinander und mehr bemüht, sich gegenseitig zu schaden, als den Feind zu besiegen.

Nach der Vereinigung mit den Brandenburgern war das Heer über 50 000 Mann stark. Der Kurfürst, der nach Ruhm dürstete und kämpfen wollte, drängte Bournonville, seine Einwilligung zu geben. Aber es war vergebens. Das Heer schlug am Kochersberg ein Lager auf, und die Brandenburger bemächtigten sich der kleinen Feste Wasselnheim. Turenne, der einen größeren Schlag plante, ging wieder über die Saar und zog sich nach Lothringen zurück.

So verging der Feldzug fruchtlos. Da die Reichstruppen es versäumten, ihre Überzahl auszunutzen, ließen sie dem Feinde Zeit und Möglichkeit, ihnen die gefährlichsten Nackenschläge zu versetzen. Der Kurfürst nahm Quartiere in der Gegend von Kolmar bis Masmünster. Die Kaiserlichen belagerten Breisach.

Turenne war immerhin recht stark gegenüber einem Heer, in dem die Zwietracht herrschte. Er erhielt eine Verstärkung von 10 000 Mann aus dem flandrischen Heere. Nachdem er wie Fabius zurückgewichen war, drang er nun wie Hannibal vor.


1 Karl Ludwig.

2 Das Offensivbündnis mit dem Kaiser, Spanien und den Niederlanden gegen Frankreich wurde am 1. Juli 1674 in Berlin unterzeichnet.

3 11. August 1674.

4 Herzog Karl und Caprara wurden am 16. Juni 1674 gemeinsam bei Sinzheim besiegt.

5 4. Oktober 1674.